Der Fall Nawalny und unser Verhältnis zu Russland

Die Vergiftung des russischen Oppositionellen Sergej Nawalny hat eine intensive Debatte über unser Verhältnis zu Russland ausgelöst. Ist die Zusammenarbeit am Ende? Kommt jetzt ein neuer kalter Krieg?

Es stimmt, das Verhältnis zur Regierung Putin ist stark belastet, es stimmt aber auch, dass wir langfristige strategische Interessen gegenüber Russland haben, die sich nicht geändert haben.

Erstens brauchen wir eine Zusammenarbeit mit Moskau, wenn es um Sicherheit und Frieden in Europa geht. Sicherheit, die nur auf dem Gleichgewicht des Schreckens beruht, mit anderen Worten, die Sicherheit gegeneinander, ist immer sehr störanfällig. Besser ist eine Sicherheit, die man miteinander gestaltet. Dazu muss auf beiden Seiten wieder die Bereitschaft geschaffen werden.

Zweitens, eine enge ökonomische Zusammenarbeit zwischen Europa und Russland wäre für beide Seiten ein Vorteil. Hier die Innovations- und Finanzkraft der EU, dort der Ressourcenreichtum des größten Staates der Erde. Europa könnte auf diese Weise sein Gewicht gegenüber den Großmächten USA und China deutlich erhöhen. Ein Abdriften Moskaus in Richtung Peking, wie wir es momentan sehen, dagegen würde unsere Position schwächen.

Drittens können globale Fragen, wie der Klimawandel ohne den viertgrößten Emittenten von Treibhausgasen und gleichzeitig enorm wichtigem Speicher solcher Gase nicht gelöst werden.

Leider ist Putin in den letzten Jahren, trotz intensiver Bemühungen der Bundesregierung um Zusammenarbeit, auf Konfrontationskurs geblieben. Das zeigt auch die Reaktion aus Moskau im Fall Nawalny. Es wird deshalb darauf ankommen, einerseits zu zeigen, dass wir uns nicht alles bieten lassen und andererseits im Gespräch zu bleiben über die langfristigen strategischen Interessen beider Seiten.

Klar ist auch: Russland ist mehr als die aktuelle Regierung. Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um die Zusammenarbeit zwischen Städten, Hochschulen, Vereinen oder beim Jugendaustausch noch intensiver zu gestalten.