Deutschland muss liefern: Oleg Shevchenko zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine

Wir treffen Oleg für unser Gespräch auf dem Erfurter Fischmarkt, am Rathaus flattert eine blau-gelbe Fahne. Die Farben der ukrainischen Nationalflagge sieht man seit dem 24. Februar in ganz Thüringen: vor öffentlichen Gebäuden, auf Demos oder als bunte Masken in den Gesichtern der Menschen. Oleg Shevchenko, 1995 auf der Halbinsel Krim geboren, kam mit acht Jahren aus der Ukraine nach Deutschland. Er ist in der SPD kein Unbekannter: insgesamt war er vier Jahre Vorsitzender der Jusos Thüringen und er ist in der Kommunalpolitik aktiv. Die vergangenen Wochen waren für ihn absolutes Gefühlschaos. Auf der eine Seite verfolgt er die deutsche Debatte über den Krieg und auf der anderen Seite erlebt er, wie beispielsweise ein Freund davon spricht, wie froh er sei, dass es in den vergangenen Tagen in Mariupol geschneit hat, denn nur so komme seine Mutter an Trinkwasser. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist für Oleg und seine Familie Realität.

Die Frage, wie Deutschland die Ukraine bestmöglich unterstützen kann, beschäftigt ihn sehr: „Ich bin kein Militärexperte. Auf der emotionalen Ebene möchte ich auf jeden Fall schwere Waffen in die Ukraine liefern lassen, auf der fachlichen Ebene kann ich diese Frage nicht beantworten“.  Die Entwicklungen der letzten Wochen haben bei ihm aber für ein Umdenken gesorgt. Vor dem 24. Februar hätte er niemals für Aufrüstung geworben. 

Er erzählt uns von seinem persönlichen Umfeld, die drohenden sozialen Verwerfungen in Deutschland bereiten ihm Sorge. Wenn Wirtschaftsminister Habeck Energieberater für einkommensschwache Familien fordert, kann er nur mit dem Kopf schütteln. Kaum jemand weiß besser, wie man an allen Ecken und Enden spart, als Menschen, die in Armut leben müssen. Es braucht jetzt eine starke SPD, die sozialpolitische Forderungen aus dieser Krise ableitet.  „Die soziale Perspektive der Folgen des Krieges darf nie vergessen werden“ betont Oleg.  Er wurde in den letzten Wochen jedoch auch überrascht. Mit so einer großen Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft hat er nicht gerechnet. Auf ihn kommen täglich Menschen zu, die ukrainischen Geflüchteten helfen wollen – ganz praktisch mit einer Unterkunft, Geld- und Sachspenden oder durch Unterstützungsleistungen im Alltag. Klar ist: das darf in der Zukunft nicht weniger werden!